https://www.neues-deutschland.de/m/artikel/1056668.brennende-autos-beim-g-nationalfetisch-auto.html

Es gibt für Deutsche keine schlimmere Kränkung, als wenn man ihre Autos angreift. In den Kommentaren zu den G20-Protesten jedenfalls werden »brennende Autos« regelmäßig vor zertrümmerten Ladenfenstern und verletzten Personen erwähnt; letztere sind ersetzbar, aber der Nationalfetisch Auto ist mehr noch als Hymne und Flagge unabdingbar – als ein symbolisches Zentrum kleinbürgerlicher Aufstiegsideologie. Wer Autos anzündet, stellt exakt die Lebensentwürfe in Frage, in denen der Besitz des Autos eins ist mit Erfolg, Dazugehören und Glück im Winkel; eben deshalb gelten solche Angriffe fast schlimmer als versuchter Mord.

Deswegen ist die öffentliche Meinung, wie sie sich in Leserkommentaren derzeit darstellt, auch ganz überwiegend auf Seiten der Autoschützer von der Hamburger Polizei, über deren Exzesse man großzügig hinwegsieht. Dabei wären auch bürgerlichen Kreise gehalten, sich zu fürchten vor einer Polizei, deren Strategie es offenkundig war, die »Welcome to Hell«-Demo von Anfang an aufzumischen; zu fürchten vor Sicherheitskräften, die sich vor ihrer Prügelorgie gegenseitig »viel Spaß« wünschen; zu fürchten vor einer Polizei, die Presse und Abgeordnete zusammen mit friedlichen Demonstranten und Gewalttätern in den Staub der Straße tritt; zu fürchten vor einer Polizei, deren Berliner Einheiten nur deshalb wieder nach Hause geschickt wurden, weil sie das amüsante Gewaltspektakel gar zu offenkundig als solches gefeiert hatten.